Die Bedeutung der Werkzeugmaschinenentwicklung
Eine kritische Analyse ihrer Rolle in der industriellen Revolution und der gesamten Technik bis heute
Die fundamentale Rolle der Werkzeugmaschinen
Unter den vielen Faktoren, die zur industriellen Revolution beitrugen, spielte die Entwicklung der Werkzeugmaschinen die entscheidende Rolle. Ohne sie wäre die gesamte industrielle Entwicklung in ihren Anfängen stecken geblieben.
Diese These lässt sich durch mehrere zentrale Aspekte belegen. Werkzeugmaschinen ermöglichten erstmals:
- Präzise und standardisierte Fertigung
- Deutliche Steigerung der Produktivität
- Wiederholbare komplexe Fertigungsprozesse
Die Enabling-Funktion der Werkzeugmaschinen
Besonders deutlich wird die fundamentale Bedeutung der Werkzeugmaschinen am Beispiel der Dampfmaschine: Erst die Entwicklung präziser Werkzeugmaschinen, insbesondere John Wilkinsons Horizontal-Bohrmaschine, ermöglichte die Fertigung effizienter Dampfmaschinen in Serie. Ohne diese Präzisionsfertigung wäre die Dampfmaschine eine Erfindung ohne größere wirtschaftliche Bedeutung geblieben.
Die Antriebsart - ob Wasser- oder Dampfkraft - war in der Anfangsphase der industriellen Revolution nicht der entscheidende Faktor. Entscheidend war die Fähigkeit, Maschinen präzise und wirtschaftlich herzustellen.
Dies zeigt sich in einem sich selbst verstärkenden Kreislauf:
- Präzise Werkzeugmaschinen ermöglichten die Serienproduktion komplexer Maschinen
- Die erreichte Präzision war Voraussetzung für effiziente Dampfmaschinen
- Diese verbesserten Dampfmaschinen konnten dann wiederum als Antrieb für weitere Werkzeugmaschinen dienen
Bedeutung für verschiedene Industriezweige
Die Entwicklung der gesamten industriellen Produktion basiert auf der Verfügbarkeit präziser Werkzeugmaschinen. Dies lässt sich an verschiedenen Schlüsselindustrien nachweisen.
Textilindustrie als Pionier
Die Entwicklung der Textilmaschinen, die ein riesiges Marktpotential vorfand, wäre ohne präzise und wirtschaftliche Werkzeugmaschinen nicht in großem Umfang möglich gewesen.
Die historische Entwicklung bestätigt dies:
- Hargreaves' Spinning Jenny war noch weitgehend aus Holz und handwerklich herstellbar
- Arkwrights Water Frame und Cromptons Mule benötigten bereits präzise gefertigte Metallteile
- Die massenhafte und kostengünstige Herstellung dieser Spinnmaschinen wurde erst durch Werkzeugmaschinen möglich
Auch die mechanischen Webstühle erforderten:
- Präzise Bewegungssteuerung durch exakt gefertigte Zahnräder und Wellen
- Schussspulen und Schiffchen mit engen Toleranzen
- Standardisierte, austauschbare Verschleißteile
Universelle Bedeutung für alle Industriezweige
Es gibt praktisch keinen Bereich der Industrie, dessen Entwicklung und laufende Produktion keine Werkzeugmaschinen zwingend erfordert.
Dies lässt sich an verschiedenen Beispielen belegen:
Lebensmittelindustrie
- Abfüllanlagen mit präzise gefertigten Komponenten
- Moderne Backstraßen und Fleischverarbeitung
- Mechanisierung traditioneller Verfahren
Glasindustrie
- Präzise Formenwerkzeuge für die Glasherstellung
- Bearbeitungsmaschinen für Optik und Feinmechanik
Chemische Industrie
- Reaktoren, Pumpen und Ventile mit Präzisionskomponenten
- Strukturierte Katalysatorträger
- Präzise Mess- und Regelungstechnik
Selbst vermeintlich "einfache" Industriezweige basieren heute auf hochpräzisen Maschinen und Anlagen, die ohne Werkzeugmaschinen nicht herstellbar wären.
Historische Entwicklung und Strukturwandel
England schuf zwar die Grundlagen des Werkzeugmaschinenbaus, doch wesentliche Impulse für Weiterentwicklungen kamen aus Deutschland.
Englische Pionierleistungen:
- Erste Drehbänke mit Supportführung (Maudslay)
- Entwicklung der Hobelmaschine
- Erste Fräsmaschinen
- Grundlegende Konzepte der Präzisionsbearbeitung
Deutsche Weiterentwicklungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts:
- Systematische wissenschaftliche Durchdringung der Zerspanungsprozesse
- Entwicklung verbesserter Werkzeugstähle
- Präzisionsmesstechnik
- Standardisierung und Normung
- Innovative Unternehmen
Der Ausverkauf einer Schlüsselindustrie
Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie wurde zu wesentlichen Teilen an ausländische Investoren verkauft.
Bedeutende Beispiele dieser Entwicklung:
- DMG - Fusion mit der japanischen Mori Seiki
- MAG (Ex-Cell-O, Hüller Hille, Cross Hüller) - Übernahme durch chinesische Investoren
- Wohlenberg Gruppe - Verkauf an US-Finanzinvestor
- Gildemeister - Teil von DMG Mori (japanisch)
- StarragHeckert - teilweise ausländischer Besitz
Gründe für diese Entwicklung:
- Hoher Kapitalbedarf für Entwicklung und Internationalisierung
- Nachfolgeprobleme bei traditionellen Familienunternehmen
- Konsolidierungsdruck im globalen Markt
- Attraktive Übernahmeangebote durch finanzstarke ausländische Investoren
Diese Entwicklung wurde wesentlich durch die Marktmacht der großen Anwender, insbesondere der OEMs, forciert. Der Werkzeugmaschinenbau lebte trotz glänzender Fassaden lange Jahre am Existenzminimum.
Wirtschaftliche Aspekte und Strukturprobleme
Die Marktmacht der OEMs wirkte sich mehrfach negativ auf die Werkzeugmaschinenbranche aus.
Belastende Faktoren durch OEMs:
- Extremer Preisdruck bei Neuanlagen
- Erzwungene Übernahme von Entwicklungskosten
- Forderung nach weltweitem Service und Präsenz
- Lange Zahlungsziele und harte Gewährleistungsbedingungen
- Hohe Pönalen bei Verzögerungen
Resultierende Probleme:
- Geringe Margen trotz Spitzentechnologie
- Kaum Aufbau von Eigenkapital möglich
- Hohe Abhängigkeit von Bankkrediten
- Schwierige Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen
- Anfälligkeit für Krisen
Wohlstand und Produktivität
Während Wohlstand im Wesentlichen durch Produktivitätsfortschritte geschaffen wird, haben sich die OEMs diese Fortschritte durch ihre politisch abgesicherte Marktmacht angeeignet und in einem intern quasi-sozialistischen System verteilt.
Die Marktmachtnutzung der OEMs zeigt sich in:
- Abpressen der Produktivitätsgewinne von Zulieferern und Maschinenbauern
- Aufbau überdimensionierter Verwaltungsapparate
- Exzessive Gehälter und Boni für Top-Management
- Hohe Sozialleistungen zur Befriedung der Belegschaft
- "Betriebsfamilien"-Mentalität mit geringer Leistungsorientierung
Die politische Absicherung erfolgt durch:
- Enge Verflechtung mit der Politik ("Autoländer")
- Starke Lobbymacht in Berlin und Brüssel
- Instrumentalisierung der Gewerkschaften
- Drohung mit Arbeitsplatzverlusten bei Kritik